Zugegeben, ein Thema, über das leider nach wie vor nicht gerne gesprochen wird: Übergewicht bei Hunden

Woran liegt das?
Wenn ich mich mit anderen Hundehaltern unterhalte oder im Internet surfe, bekomme ich viele aktuelle Problemthemen mit – Haut- und Fellprobleme, Fellwechsel, Verdauungsstörungen, schlechte Zähne etc. – Aber das Thema Übergewicht ist eigentlich so gut wie nie dabei. Und das, obwohl Studien zeigen, dass ungefähr jeder zweite Hund übergewichtig oder adipös ist.

Warum wird dann so wenig über ein anscheinend sehr wichtiges Thema gesprochen?

Übergewicht – ein ernst zunehmendes Problem

Das Übergewicht ein großes gesundheitliches Problem darstellt, ist allgemein bekannt. Doch wusstest du, dass Studien zeigen, dass übergewichtige Hunde durchschnittlich 2 Jahre früher sterben als normal gewichtige Hunde?

Darüber hinaus kommt, dass das Übergewicht direkt Folgen auf den gesamten Organismus hat.
Ähnlich wie in der Humanmedizin fördert Übergewicht:

  • Osteoarthrose
  • Bluthochdruck
  • Diabetes mellitus
  • Herz-Kreislauferkrankungen
  • Atherosklerose
  • Neoplasien (Mammatumore)
  • dermatologische Erscheinungen
  • Entzündungsmediatoren werden vermehrt gebildet
  • Störungen des Fettstoffwechsels (Dyslipidämie)

Also noch mal: Übergewicht und Adipositas sind kein kosmetisches, sondern ein ernst zunehmendes Problem mit gravierenden Auswirkungen auf den gesamten Körper!

Ursachen für Übergewicht

Eine gesteigerte Energieaufnahme gilt nach wie vor als Hauptursache für Übergewicht. Vor allem der Besitzer trägt hierbei eine große Verantwortung.

Ein Leckerli für zwischendurch, ein Snack von der Nachbarin, mittags ein Wiener vom Tisch und abends beim Netflix schauen noch ein großes getrocknetes Rinderohr – tatsächlich wissen nur die wenigsten Hundebesitzer, wie viele Kalorien tatsächlich in den Leckerli, Kausnacks und Co. stecken. Gerade die ganzen „Zwischenbelohnungen“ fördern das Übergewicht. Dies zeigen auch etliche Studien.

So konnte zum Beispiel eine Studie zeigen, dass ein Fünftel der täglich benötigten Energiemenge allein durch Extra-Snacks bereitgestellt wurde. Darüber hinaus zeigte sich, dass signifikant mehr Hunde übergewichtig waren, wenn diese vom Tisch gefüttert wurden.
Insbesondere bei kleineren Hunden kann das z. T. gravierende Folgen haben.

Ein weiterer Grund für Übergewicht kann mit den allgemein gehaltenen Fütterungsempfehlungen der Hundefutter-Herstellern zusammenhängen.

Auch hier zeigte eine Studie, dass der individuelle Energiebedarf des Hundes zum Teil stark von den üblichen Herstellerempfehlungen abweicht.

Darüber hinaus zeigen auch ad libitum gefütterte Hunde häufiger Übergewicht.

Risikofaktoren

Es gibt einige Faktoren das Entstehen von Übergewicht begünstigen.

Einige Risikofaktoren liste ich dir hier auf:

  • Kastration
  • Medikamente (z. B. Steroide)
  • Rasse (z. B. Labrador Retriever, Beagle, Cocker Spaniel)
  • Alter
  • intestinale Mikrobiota
  • Inaktivität
  • Krankheiten (z. B. Hypothyreose)

Body Condition Score oder woran erkenne ich, dass mein Hund übergewichtig ist?

Tatsächlich zeigen Studien, dass es vielen Besitzern schwerfällt, die Körperkondition ihres Hundes richtig einzuschätzen.
In der Regel waren die Besitzer der Meinung, ihr Hund wäre normalgewichtig oder läge nur geringgradig über bzw. unter dem Normalgewicht. Bei übergewichtigen Hunden hatte das in vielen Fällen eine Unterschätzung des Body Condition Score, auch BSC genannt, um bis zu 2 Punkte zur Folge (Laflamme-Skala).

Body Condition Score – Beurteilung des Körpergewichts und des Körperfettanteils

Das sogenannte Body Condition Scoring (BCS) stellt ein einfaches System dar, um den Ernährungszustand des Hundes objektiv zu beurteilen.

Insgesamt gibt es zwei gebräuchliche BCS-Systeme, die sich vorrangig in der Skalierung unterscheiden. Das 5-Stufen und das 9-Stufen-System.

Beim 5-Punkte-System gilt Punkt 3 als idealgewichtig, während Punkt 1-2 mager bis schlank kennzeichnet und Punkt 4-5 übergewichtig bis adipös.

Das weitaus häufiger genutzte 9-Stufen System nach Laflamme (1997) wird in Stufen angegeben.
Im Schaubild kannst du dir einen Überblick über die BCS-Systeme verschaffen.

Bei der BCS-Methode nach Laflamme wird der Hund nicht nur visuell von der Seite und von oben beurteilt, sondern auch palpatorisch untersucht. Das bedeutet, bestimmte Körperregionen werden mit den Fingern und Händen untersucht.

Wie erfolgt die Ermittlung des Body Condition Score (BCS) nach Laflamme?

Im ersten Schritt schaust du dir den Hund von außen an – auch Adspektion genannt.
Du beurteilst die Figur des Hundes, indem du dich seitlich neben dem Hund stellt und seine Silhouette betrachtet.

Achte dabei auf Folgendes:

  1. Sind Fettdepots sichtbar? (Diese, sind oft am Übergang vom Brustkorb zum Bauchraum sichtbar.)
  2. Wie verläuft die Bauchlinie? Also der Verlauf vom Rippenbogen zur Leiste? Bei leicht untergewichtigen und idealgewichtigen Hunden ist sie ansteigend. Bei kachektischen Hunden ist die Einziehung extrem deutlich zu sehen und bei leicht übergewichtigen Tieren verläuft die Bauchlinie annähernd waagerecht. Bei adipösen Hunden ist sogar eine Fettwamme sowie manchmal abfallende Bauchlinie sichtbar.

Anschließend betrachtest du den Hund von oben.

Achte dabei auf Folgendes:

  1. Schau dir den Bereich der Hüfte an. Hier kannst du das Taille-Hüft-Verhältnis am besten beurteilen. Ist eine Taille klar sichtbar (normal gewichtige Hunde) oder kann man die Taille nur noch erahnen bzw. gar nicht mehr sehen (übergewichtige bis adipöse Hunde)? Bei mageren Hunden ist die Verengung von Brust zu Bauchraum stark zu erkennen.
  2. Sind Fettdepots sichtbar?

2. Schritt – die Palpation

Bei der Palpation werden die Rippen, die Wirbelsäule und auch die Beckenknochen mit der flachen Hand beurteilt.

Achte dabei auf Folgendes:

  1. Sind Fettablagerungen fühlbar? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Bei übergewichtigen und adipösen Hunden sind die Rippen kaum bis gar nicht mehr fühlbar und z. T. sind deutliche Fettablagerungen vorhanden. Bei normal gewichtigen Hunden sind die Rippen gut fühlbar und weisen einen leichten Fettüberzug auf. Bei stark untergewichtigen Hunden sind die Rippen und anderen Knochenpunkte aufgrund reduzierter Muskelmasse z. T. sehr deutlich fühlbar.

Achtung: Rasseeigenschaften beachten

Bei der Beurteilung des BCS solltest du immer auch die rassenspezifischen Eigenschaften beachten.
Nicht nur, dass bei einem Bernhardiner aufgrund der Fellmenge eine reine adspektorische Beurteilung schwierig ist. So ist der gewünschte Körperbau natürlich auch von Rasse zu Rasse unterschiedlich – denke an: Bernhardiner vs. Windspiel.

Das sollte bei der Beurteilung unbedingt mit berücksichtigt werden.

Freebie Darmgesundheit Banner

Darüber hinaus solltest du beachten, dass ein üppiges Haarkleid die wirkliche Figur des Hundes verfälscht. So kann ein staatlicher Collie beispielsweise rein adspektorisch als leicht übergewichtig eingestuft werden (BCS = 6), wenn man jedoch die Knochenpunkte des Beckens, die Wirbelsäule und die seitliche Brustwand betastet, feststellen, dass das Haarkleid täuscht und der Hund eine optimale Figur hat (BCS = 5).

Denke hierbei einfach an einen Hund mit übrigem Haarkleid, der im Sommer im See schwimmen geht und plötzlich ganz schlank aus dem Wasser kommt.

Rasseunterschiede-Body-Condition-Score-Hund

Achtung: Nicht nur auf das Gewicht verlassen

Allein das Gewicht sagt noch nichts über den Ernährungszustand aus! Denn auch hier gibt es starke individuelle Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen.

Daher ist die Schätzung des Körperfettanteils allein anhand des Körpergewichts bei Hunden aufgrund der starken Rassenunterschiede leider nicht möglich. Die Beurteilung des Ernährungszustandes anhand des BCS ist daher unumgänglich.

Achtung: Welpen und Junghunde

Wie eigentlich überall gibt es auch beim Verwenden des BCS-Systems nach Laflamme Einschränkungen.

So ist das System nicht dazu geeignet, den Ernährungszustand von Welpen und wachsende Hunde zu beurteilen.

Das Wachstum und damit auch der Ernährungszustand sollte bei Welpen und Junghunden immer mittels einer individuellen Wachstumskurve erfolgen. Hierbei wird der Hund mindestens 1x wöchentlich gewogen und das ermittelte Gewicht wird anschließend mit der Wachstumskurve verglichen.

Mein Fazit

Bedenke bis zu 60 % aller Hunde sind übergewichtig oder adipös. Hierbei handelt es sich um ein ernst zunehmendes gesundheitliches Problem. Daher sollte Übergewicht immer ernst genommen werden.

Das regelmäßige Wiegen und Ermitteln des BCS ist ein enorm wichtiger Schritt, um die eine ausgeglichene Energiebilanz sicherzustellen! Kombiniere am besten immer Wiegen und BCS miteinander!

Wichtig: Dokumentiere die Wiege- und BCS-Ergebnisse deiner Kundenhunde in der Kundenkartei und bleibe bei einem System, um Verwirrungen zu vermeiden. Also nutze entweder das 5-Punkte-System oder das 9-Stufen-System nach Laflamme.

Ein Hund mit einem BCS von 6 und mehr muss abnehmen!
Bedenke: Bereits 10% über dem Idealgewicht werden als beginnendes Übergewicht eingestuft. Liegt der Hund 20% über dem Idealgewicht, liegt ein bestehendes Übergewicht vor!

Eine ausführliche Anamnese, Rationsüberprüfung und eine richtig durchgeführte Reduktionsdiät inklusive Bewegungsplan sowie eine ausführliche Beratung und Begleitung des Hundehaltes sind dabei die besten Maßnahmen.

Tipps, die es bei einer Diät zu beachten gilt, findest du in meinem Blogbeitrag zum Thema Übergewicht bei Hunden.
Viel Spaß beim Lesen!

Zum Weiterlesen:Heuberger R, Wakshlag J. The relationship of feeding patterns and obesity in dogs. J Anim Physiol Anim Nutr (Berl) 2011

Chun JL, Bang HT, Ji SY. et al. A simple method to evaluate body condition score to maintain the optimal body weight in dogs. J Anim Sci Technol 2019

Teixeira FA, Queiroz MR, Oba PM. et al. Brazilian owners perception of the body condition score of dogs and cats. BMC Vet Res 2020

White G, Hobson-West P, Cobb K. et al. Canine obesity: is there a difference between veterinarian and owner perception?. J Small Anim Pract 2011

Wolf P. Futtermitteldeklaration – Nutzung aus tierärztlicher Sicht. kleintier konkret 2013