Die Kastration des Hundes scheidet die Geister. Manche sind eingeschworene Befürworter und andere wiederum lehnen eine Kastration kategorisch ab. Die Wahrheit befindet sich, wie so oft, in der goldenen Mitte.

In der Klinik wurde ich sehr häufig über das Pro und Contra einer Kastration gefragt und heute möchte ich das mit dir teilen.

Grundsätzliches zur Kastration des Hundes

Gemäß § 6 Tierschutzgesetz gilt ein allgemeines Amputationsverbot. Das besagt, dass das vollständige oder teilweise Entfernen von Organen verboten ist. Einzige Ausnahme bildet das Vorliegen einer medizinischen Indikation.

Als Kastration bezeichnet man das vollständige Entfernen der Geschlechtsorgane (Hoden, Eierstöcke meist inklusive Gebärmutter). Bei einer Sterilisation verleiben die Geschlechtsorgane im Körper. Beim Rüden durchtrennt man die Samenleiter. Bei der Hündin werden die Eileiter durchtrennt. Die Produktion der Sexualhormone bleibt somit erhalten.

Die Kastration der Hündin

Vorteile der Kastration

Gesäugetumore

Gesäugetumore gehören bei weiblichen Hunden zu den häufigsten Tumorarten. Ca. 50 Prozent der Tumore sind bösartig. Klinische Studien belegen, dass man durch eine frühzeitige Kastration (vor der ersten Läufigkeit) das Risiko von Gesäugetumoren (Mammatumore) fast vollständig reduzieren kann. Dieser Effekt ließ sich auch noch nach der ersten und zweiten Läufigkeit in reduzierter Form nachweisen.
Nach der dritten Läufigkeit gibt es keinen signifikanten Unterschied mehr. Jedoch sollte, auf eine Frühkastration möglichst verzichtet werden, da die Nachteile einfach überwiegen.

Gutartige Gesäugetumore sind häufig hormoninduziert und so kann die Entstehung von gutartigen Gesäugetumoren durch eine Kastration reduziert werden.

Übrigens eine chemische Läufigkeitsunterdrückung (per Spritze) erhöht deutlich das Risiko um an Mammatumore zu erkranken und ist deshalb keinesfalls zu empfehlen.

Pyometra (Gebärmutterentzündung)

Ein weiterer Vorteil einer Kastration ist, dass die Entstehung einer sogenannten Pyometra (eitrige Gebärmutterentzündung) verhindert wird. Diese Erkrankung, die typischerweise am Ende einer Läufigkeit entsteht (in der Regel 4-10 Wochen nach Läufigkeit), kann als sogenannte offene Form auftreten. Das heißt, der sich gebildete Eiter läuft aus der Scheide heraus. In der Regel wird dies vom Besitzer bemerkt und die Hündin wird dem Tierarzt vorgestellt.
Jedoch kann eine Pyometra auch als geschlossene Form auftreten. In diesem Fall ist der Gebärmuttermund geschlossen und es kommt zu einer Eiteransammlung innerhalb der Gebärmutter. Diese Form wird meistens erst sehr spät von den Besitzern erkannt und stellt dann einen absoluten Notfall dar.
Typische Symptome einer Pyometra sind: eine deutlich erhöhte Wasseraufnahme, ein vermehrter Urinabsatz, Fieber, Schlappheit des Hundes, Appetitlosigkeit und eine Umfangsvermehrung des Bauches.
Beim Auftreten dieser Symptome sollte unbedingt ein Tierarzt aufgesucht werden.
Du möchtest Dich detailiert über die eitrige Gebärmutterentzündung informieren? Dann schau Dir meinen Artikel zur Pyometra (eitrige Gebärmutterentzündung) an.

Andere Tumore

Auch die Entstehung von Tumoren der Eierstöcke, Gebärmutter oder Scheide kann durch eine Kastration entgegen gewirkt werden. Vor allem Tumore der Eierstöcke (Ovarialtumore) können riesige Ausmaße annehmen und bilden, wenn sie bösartig sind, sogenannte Abklatschmetastasen. Das bedeutet, dass Metastasen im Bauchraum der Hündin entstehen. Selbst durch das Entfernen der Eierstöcke kann man Abklatschmetastasen nicht verhindern und kann dann nur noch palliativ eine Chemotherapie durchführen.

Scheinträchtigkeit

Ein weiterer häufig genannter Grund als Vorteil einer Kastration ist die Verhinderung einer Scheinträchtigkeit. Jedoch sollte dabei beachtet werden, dass eine Scheinträchtigkeit bei der Hündin ein ganz normaler Vorgang ist. Bei der Hündin kommt es nach der Läufigkeit zu einem Anstieg von Gelbkörpern (Progesteron). Diese Hormone bewirken, dass die Hündin anschmiegsam, insgesamt ruhiger oder zurückgezogen (introvertiert) ist. Ein weiteres Hormon, das Prolaktin ist dafür verantwortlich, dass die Hündin Nestbau betreibt oder Gegenstände hütet. Außerdem schwillt das Gesäuge an und es kann zur Milchbildung kommen. Die Scheinträchtigkeit nach der Läufigkeit dauert ca. 2 Monate. Die Scheinträchtigkeit der Hündin ist keine Krankheit,
In meinem Artikel: erfährst Du warum die Scheinträchtigkeit ein ganz normaler Vorgang ist.

Erwähnenswert ist jedoch, dass die Ausschüttung von Prolaktin im Gehirn, genauer in der Hirnanhangsdrüse, gesteuert wird und somit kann es auch bei kastrierten Hündinnen bei entsprechendem Reiz (z.B. Welpe oder Schwangerschaft der Besitzerin) zur Ausschüttung von Prolaktin kommen.

Medizinische Indikationen, die für eine Kastration sprechen

Medizinische Indikationen um eine Hündin kastrieren zu lassen, sind das Vorliegen einer Pyometra, Ovarialtumore, Tumore der Gebärmutter oder Scheidenvorfälle, da diese in der Regel hormoninduziert sind und ansonsten immer wieder auftreten können. Auch Hündinnen, die unter Diabetes Mellitus leiden, sollten kastriert werden.

Nachteile der Kastration

Die Frühkastration

Grundsätzlich sollte eine Frühkastration vermieden werden, da die Sexualhormone (Östrogene und Testosteron) die in der Pubertät gebildet werden, eine äußerst wichtige Rolle beim Erwachsenwerden des Hundes einnehmen. Die Sexualhormone sind hier vor allem für die Ausbildung einer guten Stressverarbeitung und soziale Kompetenz wichtig.
Wenn diese Entwicklung durch eine frühe Kastration ausbleibt, erscheinen die Hunde oftmals welpenhaft, zeigen häufig ein unsicheres Verhalten und es fehlt grundsätzlich an einer Persönlichkeitsentwicklung.

Des Weiteren werden durch eine Frühkastration die Knochenfugen erst viel später geschlossen. Das hat die Folge, dass die Hunde größer werden. Somit können sich Gelenkwinkel verändern, das wiederum kann Arthrose begünstigen.

Frühkastrierte Hündinnen haben ein 1,5 fach erhöhtes Risiko an HD zu erkranken. Auch Kreuzbandrisse treten vermehrt auf, als eine mögliche Ursache wird der verzögerte Schluss der Knochenfugen diskutiert.
Im Allgemeinen sagt man, dass Hündinnen etwa nach der 3. Läufigkeit die Pubertät abgeschlossen haben.

Rüdenhaftes Verhalten bei Hündinnen

Bei Hündinnen die eher zum rüdenhaften Verhalten neigen, kann eine Kastration die Symptome noch verstärken, da die Hündinnen per se schon viel Testosteron haben und durch die Kastration die Östrogenversorgung wegfällt.

Veränderung des Haarkleides

Bei langhaarigen Hunderassen kann es zum vermehrten Haarwachstum und vermehrter Bildung der Unterwolle kommen (Welpenfell). Besonders betroffen sind davon Irish Setter, Spaniel oder Langhaardackel. Auch Fellverlust, insbesondere in der Flankengegend, ist möglich.

Inkontinenz

Eine häufig auftretende Nebenwirkung der Kastration, vor allem bei großen Hunden (über 20 kg), ist die Inkontinenz. Meist erst Jahre nach der Kastration auftretend. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Das Fehlen von Östrogen spielt jedoch eine entscheidende Rolle. Frühkastrierte Hunde sind weit häufiger betroffen. Boxer, Dobermann, Rottweiler, Riesenschnauzer und Bobtail sind prädisponiert.

Übergewicht

Kastrierte Hündinnen neigen eher zum Übergewicht. Die Sexualhormone wirken zügelnd auf den Appetit und gleichzeitig regen sie den Stoffwechsel an. Man geht davon aus, dass der Energiebedarf nach einer Kastration um ca. 30 Prozent sinkt. Diskutiert wird, dass das Übergewicht eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Diabetes Mellitus spielt. So erkranken kastrierte Hündinnen viel häufiger an Diabetes Mellitus als nicht-kastrierte Hunde.

Die Kastration des Rüdens

Vorteile der Kastration

Prostatahyperplasie, Hodentumor, Perinealtumor

Die Entstehung von Prostatahyperplasien wird durch eine Kastration reduziert, genauso wie die Entstehung der Perinealtumore oder Hodentumore.

Hypersexualität

Hypersexualität oder aggressives Verhalten, das tatsächlich auf Sexualhormone zurückzuführen ist, wird durch die Kastration gemildert.

Medizinische Indikationen, die für eine Kastration sprechen

Medizinische Indikationen, die für eine Kastration des Rüden sprechen, sind Kryptorchiden. Bei diesen Hunden sind beide oder ein einzelner Hoden nicht in den Hodensack abgestiegen und befinden sich noch in der Bauchhöhle bzw. im Leistenspalt.
Bei vielen älteren Rüden kommt es zu einer Vergrößerung der Prostata bzw. zur Zytenbildung. Wenn diese so groß sind, dass es zu klinischen Problemen kommt, wie z. B. Kotabsatzbeschwerden, sollten die Hunde kastriert werden. In den allermeisten Fällen bildet sich die vergrößerte Prostata selbstständig wieder zurück.
Das Vorliegen von Hodentumore ist eine eindeutige Indikation einen Rüden zu kastrieren. Auch bei Perinealtumore, die in 80 Prozent der Fälle gutartig sind, ist eine Kastration ratsam, da diese hormoninduziert sind und sich nach der Kastration zurück bilden.

Nachteile der Kastration

Jagdverhalten

Studien belegen, dass eine Kastration keinen Einfuss auf das Jagdverhalten eines Hundes hat.

Gesteigerte Aggressivität, Dominanz, Futterverteidigung

Ein weiterer häufig genannter Grund um einen Rüden kastrieren zu lassen, ist die Aggressivität oder eine übermäßige Dominanz damit zu reduzieren.
Problematisch ist dies jedoch bei Hunden, die auf Grund von Ängsten Aggressivität oder Verhaltensprobleme zeigen. Jegliches angstmotiviertes Verhalten wird durch Stresshormone (Kortisol) ausgelöst. Diese haben jedoch nichts mit den Sexualhormonen zu tun. Im Gegenteil, es ist eher so, dass Testosteron eine hemmende Wirkung auf die Cortisolfreisetzung hat, sodass die Kastration eines ängstlichen Hundes, diese noch verstärkt. Gleiches gilt für die Futterverteidigung.
Erwähnenswert ist auch, dass aggressives Verhalten oftmals erlernt ist und somit nicht durch eine Kastration beeinflussbar ist.

Hypersexualität

Häufig wird der Wunsch geäußert, Rüden zu kastrieren, die andere Hunde besteigen bzw. als hypersexuell gelten. In den meisten Fällen ist dieses Verhalten jedoch nicht sexuell motiviert, sondern eher eine Übersprungshandlung oder eine Stereotypie und dient dem Stressabbau. In beiden Fällen sollte eine Kastration vermieden werden. Bei pubertierenden Hunden gehört dies zum pubertierenden Verhalten und sollte nicht überbewertet werden.

Prostatatumore

Außerdem haben kastrierte Rüden ein erhöhtes Risiko an Prostatatumore zu erkranken, die leider immer bösartig sind und nicht therapierbar.

Andere Tumore

Neuere Studien besagen, dass kastrierte Hunde ein erhöhtes Risiko haben um an Hämangiosarkomen, Mastzelltumoren, Lymphomen und andere Tumore zu erkranken. Eine andere Studie besagt, dass kastrierte Hunde ein erhöhtes Risiko besitzen um Knochenkrebs zu bekommen.

Übergewicht, Fellveränderungen

Sind der der Hündin ähnlich.

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Fazit – Die Kastration des Hundes

Eine Kastration sollte gut überdacht werden. Von einer Frühkastration ist wegen der erheblichen Nachteile abzuraten. Auch Hunde, die eher ängstlich oder ein übersteigertes Dominanzverhalten zeigen, sollten nicht kastriert werden. Bei allen anderen Fällen sollte das Für und Wider gut abwogen werden. Zu beachten ist auch, dass eine Kastration immer ein chirurgischer Eingriff darstellt, der mit einer Vollnarkose einhergeht und wie alle Operationen, Narkoserisiken beinhaltet.
Diejenigen, die überlegen ob eine Kastration sinnvoll ist oder nicht, empfehle ich den Artikel  “Die Kastration aus Verhaltensbiologischer Sicht” zu lesen.

Bei Rüden wäre eine chemische Kastration mittels Chip eine gute Möglichkeit, um das „kastrierte Verhalten“ zu testen.

Meine Hunde sind beide kastriert, jeweils mit ca. 1,5-2 Jahren. Heutzutage würde ich mir die Entscheidung jedoch schwerer machen und mich wahrscheinlich dagegen entscheiden.

Wie ist das bei Deinem Hund?
Hast Du eine Kastration durchführen lassen?


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